F-16 oder MiG-29: Was können Kampfjets? – DW – 19.08.2023 (2024)

In der Kurve presst es dich mit dem Vielfachen der Erdanziehung in den Sitz. Nur höchste körperliche Fitness undeine spezielle Hose, die dirdas Blut aus den Beinen drückt, halten dich bei Bewusstsein. Du fliegst selten unter 900 km/h.

"Die Beschleunigung ist atemberaubend." So beschreibt derehemaligePilotder deutschen Luftwaffe, Joachim Vergin, das Gefühl, einen Kampfjet zu fliegen.

Man könne es vielleicht mit Achterbahnfahren vergleichen, aber doch nicht wirklich: Die Kräfte in einem Jet sind oft doppelt so stark. Dazu muss man im Gefecht noch eine Vielzahl an Waffensystemen bedienen. Kämpfen, ausweichen, verteidigen. Im Ernstfall geht es um Leben und Tod, oft bei Schallgeschwindigkeit.

Triebwerk unter Hochdruck

Das erste Mal wurden Kampfjets Ende des letzten großen Krieges in Europa eingesetzt: dem Zweiten Weltkrieg.Mit ihrem Strahltriebwerk fliegen Jets viel schneller als Propellerflugzeuge, die bis dahin genutzt wurden.

Ein Strahltriebwerk funktioniert so: Vorne wird Luft in das Triebwerk eingesaugt und zusammengedrückt. Dann wird Kraftstoff in die nun hoch verdichtete Luft eingesprüht und entzündet.Dadurch drückt sich die Luft "extrem stark"aus dem Triebwerk heraus, wie Dr. Robert Kluge, Luftfahrtexperte vom Deutschen Museum erklärt.

Da diese Luft dabei beschleunigt wird, entsteht nach den Gesetzen der Physik ein Schub, der das Flugzeug nach vorne bewegt.

Jet-Angriff aus der Luft

Kampfjets können sowohl Ziele in der Luftals auch am Boden angreifen. Im Luftkampf kann ein Jet mit Luft-Luft-Raketen ein ebenfalls fliegendes Ziel zerstören.Zieleam Boden kann ein Jet mit Luft-Boden Raketen an greifen oder einfache Freifallbomben abwerfen, die quasi "nach den Gesetzen der Physik"auf den Boden fallen, so Leonhard Houben, Historiker und freier Mitarbeiter amMilitärhistorischenMuseum Berlin-Gatow.

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Technik der Kompromisse

Beim Bau von Kampfjets muss abgewogen werden: Soll ein Jet eher andere Flugzeuge in der Luft bekämpfen? Und sind diese Flugzeugeandere Kampfjets, die sich wehren können? Oder soll derJet nur effektiv Bodenziele bekämpfen können?

Solche strategischen Überlegungen spiegelnsich dann in der Technik eines Kampfjets wider: Für den Luftkampf wird das Flugzeug eher leicht und wendig gebaut, für eine hohe Reichweite wird es mit großen Treibstofftanks ausgestattet.

Die MiG-29beispielsweisewurde für einen ganz bestimmten Zweck in die Luft geschickt: Die Grenzen der Länder des Warschauer Pakts gegen NATO-Flugzeuge zu schützen.

So kann dieser 1983 inDienst gestellte sogenannte Abfangjägersehr schnell abheben und an sein Ziel kommen.Aufgrund ihrer Bauweise ist die MiG-29 imLuftkampf extrem wendig: Sie kann sogar kurzzeitig auf ihrem eigenen Strahl vertikal in der Luft stehen.Allerdings trug der Jet anfangs nur wenig Treibstoff mit sich, um Gewicht zu sparen, weshalb er eine geringe Reichweite hatte.

F-16: Multitalent vom Fließband

ModerneKampfjets kombinieren zumeist eine Vielzahl an Fähigkeiten. Laut Houben ist es ökonomischer, sogenannte Mehrzweckkampfflugzeuge zu bauen, weil sie in nur einer Produktionsreihe in großer Stückzahl gefertigt werden können.

Die F-16 ist ein solches massengefertigtes Multitalent. Sie wurde in den 1970er Jahren in den USA für den Verkauf an Partnernationen als kostengünstigerAllzweck-Jet entwickelt. Die F-16 istder Kampfjet mit der größten weltweiten Stückzahl, der immer noch im Dienst ist.DerJet wird nach wie vorin den USA produziert undstetig verbessert.

Houben sagt, dass"F-16, die vor 20 Jahren gebaut wurden, russischen Jets ebenbürtig sind, die vielleicht vor drei bis fünf Jahren gebaut wurden". Das liege unter anderem daran, dass in Russland in den 1990er Jahren die Entwicklung von Kampfjet-Technik verschleppt wurde und viele Talente daraufhin abgewandert sind.

Mehr Waffensystem als Waffe

Neben der Technik eines Jetsist seine Bewaffnungwesentlich. Ohne diese sei ein Jet "nur eine Hülle, wie ein Feuerwehrauto ohne Drehleiter", so Robert Kluge vom Deutschen Museum. Auf die Ausstattung mit modernen Waffensystemen kommees an.

Dann können Jets entscheidend dazu beitragen, den eigenen Luftraum zu sichern. Denn anders als Luftabwehrraketen, wie sie von bodengestützten Flugabwehrsystemenabgefeuert werden, sind Jets hochmobil und können so eine große Fläche sichern und mit modernen Luft-Luft-Raketen auch Marschflugkörper in der Luft abschießen.

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Luftkämpfewie in Hollywoodfilmen zwischenJets verfeindeter Nationen sind laut Leonhard Houbenaber unwahrscheinlich. Kampfjets würden sich heutzutage meist mit Raketen außerhalb ihrer Sichtweite bekämpfen.

Ähnlich wie bei Kampfpanzern gilt häufig: Wer zuerst feuert und trifft, gewinnt. Moderne Luft-Luft Raketen, einmal abgeschossen, schleichen sich quasi an ihr Ziel heran und aktivieren erst kurz vor dem Einschlagihr auffälliges Radar. Dann ist es oft zu spät, um auszuweichen. Mit wildenManövern, Maschinengewehrfeuer und Hollywoodhat das meist wenig zu tun.

Piloten-Ausbildung dauert Jahre

Trotzdem muss ein Kampfjetpilot auch Nahkampf können, falls doch einmal alle Raketen verschossen sind. Dagilt es, Multitasking unter extremen Bedingungen zu beherrschen. Aus diesem Grund sind Piloten auch nicht von heute auf morgen ausgebildet: für den deutschen Eurofighter dauert die Lehrzeit fünf bis sechsJahre und kostet fünfMillionen Euro - pro Pilot.Dabei lernt jeder Pilot oft nur einen Typ Kampfjet zu fliegen -auf einen anderenJet umzuschulen ist aufwendig. Als Vergin vom Kampfjet Phantom auf den Tornado umstieg, dauerte die Schulung sieben Monate.

Beiseinem ersten eigenen Flug mit einem Jet seiein Triebwerk ausgefallen, erzählt der ehemalige Pilot Joachim Vergin. Obwohl er Angst hatte, wusste er aufgrund von "Drill und Übung"genau was zu tun ist, blieb ruhig und landete das Flugzeug sicher.

Jet als Mythos

Kampfjets sindim Kriegallerdings mehr als die Summe ihrer technischen Fähigkeiten.So umschreibt Robert Kluge das Flugzeug als "Mythos", weil es sich anders als Menschen auch in der dritten Dimension bewegen kann.

Ein Kampfjet kannauch als Symbolgesehen werden, dasdie Moral der eigenen Truppe stärken kann. Und als wichtige Schachfigur in der Strategie eines Krieges:Allein sie zu besitzen, kann genügen, um Feinde zum Umdenken zu bewegen.

Dieser Artikelwurde am 23.02.2023 erstmalig publiziert und am 18.8.2023 aktualisiert.

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